Der Bundesgerichtshof hat nunmehr die Voraussetzungen präzisiert, die eine
bindende Patientenverfügung in Bezug auf einen Abbruch lebenserhaltender
Maßnahmen erfüllen muss. Danach könne sich die erforderliche Konkretisierung
der Behandlungsentscheidung im Einzelfall auch bei einer weniger detaillierten
Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen ergeben, wenn auf ausreichend
spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen Bezug genommen wird. Ob
in solchen Fällen eine hinreichend konkrete Patientenverfügung vorliege, sei
durch Auslegung der in der Patientenverfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln.
Eine Wachkoma-Patientin hatte 10 Jahre zuvor in ihrer Patientenverfügung u.a. folgende Bedingungen für einen Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen formuliert: hiernach sollten, "wenn keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins bestehe oder aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben".
Sie erlitt dann einen Schlaganfall und befand sich seit einem hypoxisch bedingten Herz-Kreislaufstillstand in einem wachkomatösen Zustand. Sie wurde seitdem über eine Magensonde künstlich ernährt und mit Flüssigkeit versorgt. Bereits vor dem Schlaganfall hatte sie mehrfach gegenüber verschiedenen Familienangehörigen und Bekannten angesichts zweier Wachkoma-Patienten aus ihrem persönlichen Umfeld geäußert, sie wolle nicht künstlich ernährt werden, sie wolle nicht so am Leben erhalten werden, sie wolle nicht so daliegen, lieber sterbe sie. Sie habe aber durch eine Patientenverfügung vorgesorgt, das könne ihr nicht passieren. In der Zeit zwischen dem Schlaganfall und dem späteren Herz-Kreislaufstillstand erhielt sie einmalig die Möglichkeit, trotz Trachealkanüle zu sprechen. Bei dieser Gelegenheit sagte sie ihrer Therapeutin: "Ich möchte sterben." Von den vorinstanzlichen Gerichten war die von dem Sohn der Patientin -als deren gerichtlich bestellter Betreuer- gegen den Willen deren Ehemannes- unter Hinweis auf die vorliegende Patientenverfügung beim Betreuungsgericht beantragte Genehmigung des Abbruchs lebenserhaltender Maßnahmen abgelehnt worden.
Der BGH hat vorgerichtliche Entscheidung aufgehoben und vorgegeben, welche konkreten Voraussetzungen für eine bindende Patientenverfügung vorliegen müssen. Hiernach entfalte eine schriftliche Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 BGB nur dann unmittelbare Bindungswirkung, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, bei Abfassung der Patientenverfügung noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können. Dabei dürften die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung aber auch nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden könne nur, dass der Betroffene umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht. Allein die Äußerung "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" zu wünschen, reiche hierfür nicht aus. Vielmehr müsse in der Patientenverfügung durch Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder durch Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen konkretisiert werden, was dann erfolgen soll.
RA Martin Vogelsberger, Fachanwalt für Erb- und Familienrecht“