Ist ein pflichtteilsberechtigtes Kind oder die pflichtteilsberechtigte Ehefrau testamentarisch von dem Erblasser enterbt bzw. in dessen Testament nicht bedacht worden, steht diesen gegenüber den testamentarischen Erben des Erblassers ein Pflichtteilsanspruch zu. Um diesen Pflichtteilsanspruch der Höhe nach beziffern zu können, ist ein Pflichtteilsberechtigter zunächst auf ein umfassendes Nachlassverzeichnis angewiesen. Selbst wenn ein redlicher Erbe sich bemüht, diesen Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten durch ein privatschriftliches Verzeichnis so gut als möglich, vollständig und nach bestem Wissen und Gewissen zusammenzustellen, ist er dann vor der weiteren Aufforderung des Pflichtteilsberechtigten zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses nicht gefeit. Auch wenn der auskunftspflichtige Erbe dies als „Schikane" ansehen sollte, überschreitet nach einer jüngeren Entscheidung des OLG München das Verlangen des Pflichtteilsberechtigten nicht die Grenze des § 226 BGB, wonach die Ausübung eines Rechts unzulässig ist, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen.
Der Pflichtteilsberechtigte kann daher auch bei Vorliegen eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses darauf bestehen, dass der Erbe auf Kosten des Nachlasses ein notarielles Nachlassverzeichnis vorlegt; ein solches bietet nach der Rechtsprechung dem Pflichtteilsberechtigten die Gewähr einer höheren Richtigkeit als ein privat errichtetes Verzeichnis, da der Notar zu vollständigen und wahrheitsgemäßen Angaben verpflichtet ist und dessen Verzeichnis bessere Klarheit und Übersichtlichkeit erwarten lässt.
Rechtsanwalt Martin Vogelsberger, Fachanwalt für Familienrecht und Erbrecht, Ingelheim